„Bei der Integration wurde viel geschafft“

Die „Angst vor dem Anderen“ darf die eigentlichen Konflikte der Gesellschaft nicht überlagern, warnt der Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn anlässlich des „Tags des Flüchtlings“

Paderborn, 26.9.2019 (cpd) – „Migration und Flucht sind nicht die Kernkonflikte unserer Gesellschaft“, sagt der Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn, Domkapitular Dr. Thomas Witt anlässlich des „Tags des Flüchtlings“ am Freitag, 27. September. „Wir dürfen uns nicht anstecken lassen von der Angst vor den ‚Anderen‘ und der Angst vor der Zukunft.“ In den wichtigsten Konflikten einer pluralen, demokratischen Gesellschaft gehe es vielmehr um Anerkennung, Gleichheit, Chancengerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit und Teilhabe – Themen, die Migranten und Einheimische gleichermaßen betreffen. Dabei verweist Witt auf das Motto der aktuellen Interkulturellen Woche „Zusammenleben, zusammen wachsen“, in deren Rahmen der „Tag des Flüchtlings“ stattfindet. Aufgrund der Polarisierung der Debatte um die Aufnahme von Asylsuchenden und Migranten würden die gesellschaftspolitischen Kernkonflikte überdeckt, bedauert er, und widerspricht ausdrücklich der These, dass die Migration die „Mutter aller Probleme“ sei.

Die Herausforderungen durch die große Zahl an Asylsuchenden 2015 und 2016 sei gut bewältigt worden, meint Witt. „Es ist viel geschafft worden bei der Integration.“ Mittlerweile sei die haupt- und ehrenamtliche Arbeit mit Flüchtlingen weitgehend in einen geordneten Regelbetrieb übergegangen. Das sei für alle Beteiligten – die Migranten, die Helfer und die staatlichen Stellen – hilfreich. „Die Zusammenarbeit von Ehrenamt und den staatlichen Stellen ist bis heute ein wichtiger Faktor in der Bewältigung der mit der Migration verbundenen Herausforderungen.“

Ausdrücklich begrüßt Witt den Notfallplan für Bootsflüchtlinge auf dem Mittelmeer und die Aufnahmebereitschaft einzelner EU- Mitgliedsstaaten. Bei der Bekämpfung von Fluchtursachen warnt er davor, Entwicklungshilfe auf ein Mittel zur Verhinderung von Migration zu reduzieren. „Entwicklungshilfe muss ihr vorrangiges Ziel, die Entwicklung zuverlässiger staatlicher Institutionen, die Armutsbekämpfung und Entwicklung von Perspektiven für junge Menschen, weiter verfolgen.“
Kritisch sieht Witt die Situation von Kindern in zentralen Aufnahmeeinrichtungen (ZUE) des Landes Nordrhein-Westfalen. „Solange Familien mit minderjährigen Kindern nicht einer Kommune zugewiesen wurden, bleiben sie von der Teilnahme am regulären Schulunterricht ausgeschlossen.“ Der Zugang zum Bildungssystem dürfe jedoch laut Artikel 14 der EU-Aufnahmerichtlinie nicht länger als drei Monate verzögert werden, was in der Praxis häufig vorkomme. Auch die UN-Kinderrechtskonvention schreibe ein Recht auf Bildung für alle Kinder fest, betont Witt.

Die Entwicklung beim sogenannten Kirchenasyl sieht der Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn „mit großer Sorge“. „Durch neue staatliche Regeln gerät der einzelne Mensch, der hinter den Zahlen steht, immer mehr in den Hintergrund. Aber um in Einzelfällen unzumutbare Härten abzuwenden, wird das Kirchenasyl als letztes Mittel auch künftig gebraucht.“


Info „Tag des Flüchtlings“: In diesem Jahr findet die Interkulturelle Woche (IKW) vom 22. bis 29. September 2019 bundesweit unter dem Motto „Zusammen leben, zusammen wachsen“ statt. Der Tag des Flüchtlings innerhalb der interkulturellen Woche ist am Freitag, 27. September 2019. Die Interkulturelle Woche schließt auch den „Welttag des Migranten und Flüchtlings“ am 29. September ein, der von Papst Franziskus von Januar auf den letzten Sonntag im September verlegt wurde.