SkF-Geschäftsführerin Astrid Peters, Erna Wartig und die SkF-Vorsitzende Ursula Pantenburg (v. l.) genießen gemeinsam einen Kaffee im „Franz“.

„Das Murmeln ist wie Entspannungsmusik“

Shoppen, klönen und genießen: Das Projekt „Franz & Carla“ ist Café, Kleiderladen und Quartierstreff in einem

 

Bericht und Fotos: Philipp Weitzel für "Sozialcourage"

Erna Wartig (61) genießt ihren Nachmittagskaffee neuerdings in hipper Kulisse: Vor ihr steht auf einem runden weißen Tisch eine kleine Vase mit einer orangenen Blume. Im gleichen grellen Orange strahlen auch die Kissen, die an der Wand über den hölzernen Sitzbänken angebracht sind. An den Wänden ein Muster aus orangenen Strichen und grau-grünen Kreisen, das an die typischen Tapeten der frühen 70er-Jahre erinnert. Zu den Farben gesellt sich ein verführerischer Duft: frischer Filter-Kaffee trifft auf frisch gebackenen Pfannkuchen. Hier lässt sich´s aushalten!

„Franz“ heißt Erna Wartigs neues Lieblingscafé mit dem herrlichen Retrocharme. Es befindet sich weder in Berlin, Hamburg oder München, sondern im Souterrain des Franziskushauses in Gütersloh. Für das neue Sozialprojekt haben sich der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), die Kirchengemeinde und die Caritas-Konferenz St. Pankratius zusammengefunden.

Besucherinnen wie Erna Wartig sind für den SkF Gütersloh vertraute Personen. Vor elf Jahren suchte sie erstmals Hilfe beim katholischen Sozialverband. „Wenn ich den SkF nicht hätte, wüsste ich gar nicht, wie ich zurechtkommen sollte“, erklärt sie. Während sie ihren Blick durch den hellen Raum schweifen lässt, nehmen immer mehr Menschen auf den Stühlen und Holzbänken Platz. „Das Murmeln ist wie Entspannungsmusik“, genießt Erna Wartig die Atmosphäre. „Wenn ich jemandem zum Reden brauche, dann finde ich hier immer jemanden. “

Nach dem „Franz“ geht´s für Erna Wartig noch für einen Abstecher in den Nebenraum. Dort ist „Carla“ zu finden, der neue Secondhand-Modeladen des SkF. In die ehemalige Kleiderkammer ist Erna Wartig schon immer gegangen: „Ich war Stammkundin. Jede zweite Woche war ich dort, meistens, wenn ich bei der Sprechstunde war.“ Mit einer Kleiderkammer hat „Carla“ indes nur noch wenig zu tun. Verkaufstresen, Umkleide und mehrere große Spiegel lassen Shopping-Atmosphäre aufkommen. „Genau so soll es auch sein; es geht um Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, um ein Stück Normalität“, beschreibt es Helmut Hollen, Vorsitzender der Caritas-Konferenz. Von T-Shirts über Pullover bis hin zu Abendkleidern für den Abiball können Kunden alle erdenklichen Kleidungsstücke kaufen, berichtet SkF-Geschäftsführerin Astrid Peters voller Stolz. Nach kurzem Stöbern in frisch eingetroffener Ware aus einer Geschäftsaufgabe, bückt sich Erna Wartig, um im untersten Regal der T-Shirts nach neuer Schlafbekleidung zu suchen.

„Die Räumlichkeiten wurden frei, die Kleiderkammer der Caritas suchte eine neue Bleibe und wir hatten schon lange die Idee eines eigenen Cafés. Diese Chance mussten wir nutzen“, berichtet die SkF-Vorsitzende Ursula Pantenburg von der Idee für die Umgestaltung des Untergeschosses im Franziskus-Haus. Der Name „Carla“ leitet sich vom Begriff „Caritas-Kleiderladen“ ab. Der Erlös der zu kleinen Preisen (z. B. drei Euro für einen Pullover) verkauften Kleidungsstücke fließt in den Spendentopf der Caritas-Konferenz und kommt so in Form von Einzelfallhilfen wieder hilfebedürftigen Menschen zugute.

Der Fokus des Secondhand-Modeladens „Carla“ und des Cafés „Franz“ soll nicht nur auf den Personen liegen, die das Beratungsangebot des SkF nutzen, wie Vorstandsmitglied Jutta Schmitz-Bücker erklärt: „Das Franz & Carla ist Anlaufstelle für alle Interessierten im Quartier – unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Konfession.“ Sie hat als Innenarchitektin dem Café den Retrocharme eingehaucht. Die Umsetzung des Projektes wäre ohne die Investition der Kirchengemeinde, die Fördermittel aus dem Armutsfonds des Erzbistums Paderborn und das Engagement vieler Spender nicht möglich gewesen. Die laufende Arbeit wird im ersten Projektjahr auch durch die Ulrich-Bongartz-Stiftung unterstützt.

„Nein, das passt mir leider nicht. Das ist mir zu klein“, sagt Erna Wartig und hält ein T-Shirt mit Micky Maus-Motiv in der Hand. Auch beim Schmuck wird die 61-Jährige nicht fündig. Doch es ist nicht das letzte Mal, dass sie im „Franz“ einen Kaffee trinkt und einen Mini-Pfannkuchen isst oder im „Carla“ nach passender Kleidung stöbert: „Nächstes Mal bringe ich dann auch meine Schwester und meine Tochter mit.“ Mehr Infos zum Projekt finden Sie hier.

Text und Bilder: Philipp Weitzel